kettenwulfhonselBerufswahlorientierung in der Sekundarstufe I und in der gymnasialen Oberstufe gehört zu den verbindlichen Aufgabenbereichen der Schulen. Das wesentliche Ziel bestehe darin, Schülerinnen und Schüler zu befähigen, „eigene Entscheidungen im Hinblick auf den Übergang ins Erwerbsleben vorzubereiten und selbstverantwortlich zu treffen (…)“. Betont wird u. a. die Vermittlung „grundlegender Informationen zur Wirtschafts- und Arbeitswelt“ in den einzelnen Fächern, die Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit, die Zusammenarbeit mit dem Berufskolleg usw. Zum Aufgabenkatalog gehört außerdem ein Schülerbetriebspraktikum, das in Gymnasien während der Sekundarstufe II durchgeführt werden kann. Den Schulen mit gymnasialer Oberstufe wird aufgegeben, „in Zusammenarbeit mit der Berufsberatung und den ortsnahen Hochschulen ein Konzept zur Berufswahlorientierung“ zu entwickeln. (vgl. RdErl. d. Ministeriums für Schule und Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung v. 23.09.1999)Die Lehrpläne der meisten Fächer stellen Bezüge zur „Wirtschafts- und Arbeitswelt“ her. Jedes Fach trägt somit auf seine Weise zur „Berufsfindung“ bei.

 

Der Berufswunsch, beispielsweise Physiker zu werden, entwickelt sich, weil der Grund- oder Leistungskurs in diesem Fach die Schüler am meisten interessierte, „Architektur“ als Zielfeld spiegelt oft den Einfluss des Kunstunterrichts usw. Diese wünschenswerten Zusammenhänge sind noch kein Konzept.

 

Mit dem näher rückenden Abitur gewinnt die Frage, wie es danach weitergehen soll, zunehmend an Bedeutung. Wir wissen, dass sinnvollerweise die Schülerinnen und Schüler bereits häufig im Verlauf der Jahrgangsstufe Q1 in den Entscheidungsprozess eintreten. Einige interessieren sich besonders für eine berufliche Ausbildung, nicht selten in Verbindung mit einem Studium, der größere Teil der Schüler zieht ein Studium in Betracht, nicht wenige haben zu diesem Zeitpunkt noch gar keine Vorstellung, in welche Richtung sie gehen sollen. Ein "gap year", häufig auch im Ausland verbracht, manchmal auch ein „freiwilliges soziales Jahr“ verlängern die Zeit der Entscheidungsfindung.

Aus einer Fülle schier „unendlicher“ Möglichkeiten ist eine Auswahl zu treffen. Die Wege dahin sind verschlungen, die Wegweiser vielleicht mehr verwirrend als orientierend. Eltern, Freunde, Medien spielen eine Rolle, hinzu kommen die Beratung durch die Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit und die der Schule.


Jeder muss sich orientieren, über seine beruflichen Ziele informieren, sich vertraut machen, sich Wissen aneignen, … damit er eine Wahl treffen kann. Also, alles ganz einfach!?

Deutsche Hochschulen – ausländische Hochschulen sind noch nicht einmal berücksichtigt - bieten 17 277 (!) Studienangebote an 444 (!) Hochschulen. Eine kaum durchschaubare Vielfalt auch bei den Ausbildungsberufen: 328 staatlich anerkannte Ausbildungsberufe gibt es nach den Angaben der Bundesanstalt für Arbeit (Zahlen von 2016), Hunderte von weiteren Berufsbildern, zB. weitere schulische Ausbildungen, gar nicht mitgerechnet.

Hilfen zur Berufsfindung am Gymnasium der Benediktiner

Ohne Zusammenarbeit mit außerschulischen Fachleuten und deren Unterstützung, kann die Schule keine kompetente „Hilfe zur Selbsthilfe“ leisten. Die einzelnen von der Schule konzipierten Schritte werden im Folgenden knapp vorgestellt: 

  1. orientierende Leitfragen
  2. Potentialanalyse
  3. „Seminartag- wie bewerbe ich mich?“
  4. „Betriebserkundung“
  5. „Studierende und Berufstätige beraten Schülerinnen und Schüler“
  6. „Universitätstag“
  7. „berufsorientierendes Praktikum“

Die vielfältigen nichtschulischen Angebote, etwa der Berufsberatung für Abiturienten, können an dieser Stelle leider nicht beschrieben werden. Es ist jedoch darauf zu verweisen, dass wir unser Konzept mit Herrn Haselhoff, dem zuständigen Berufsberater für Abiturienten und Hochschüler, absprechen. 

1. Bei der Berufswahlentscheidung sind Leitfragen eine große Hilfe, wenn es um die Ausgestaltung der Berufsfindungsaktivitäten geht. Leitfragen sind kein unverrückbarer Kanon, sondern spiegeln einen Lernprozess wider. Der Fragenkatalog stützt sich zum einen auf die Auswertung der Fachliteratur, zum anderen auf Anmerkungen und Verbesserungsvorschläge derjenigen, die sich professionell mit Bewerbungsfragen beschäftigen, schließlich auch auf Erfahrungen, die sich aus der Beschäftigung mit der Thematik in der Schule ergeben.

Leitfragen

  • Wie stelle ich mir meine Zukunft vor? Was will ich überhaupt erreichen? (Wo möchte ich später leben? Was bedeutet für mich überhaupt Beruf? Was bedeutet für mich Mobilität? Bin ich an die Region gebunden? (Familie, Freunde, Vereinsleben usw.)
  • Welche Rahmenbedingungen beeinflussen meine Entscheidungen bei der Berufswahl? - Treffe ich eine eigene Entscheidung oder übernehme ich die Wahl von Bekannten, Freunden oder Eltern?
  • Studium oder Ausbildung? Ist ein Studium wirklich die beste und interessanteste Möglichkeit für mich, oder liegt eine Berufsausbildung näher? (klassisches Studium, Fachhochschulstudium, duale/kooperative Studiengänge, Abiturientenausbildungen usw.) Bin ich eher ein Lerntyp, der schulartiges Lernen bevorzugt oder ein Lerntyp, der weniger Anleitung benötigt? - Entsprechen meine Fähigkeiten und Interessen wirklich so den Anforderungen in Studium und Beruf, dass ich damit lange Zeit erfolgreich und zufrieden sein kann?
  • Habe ich mich ausreichend informiert? Wo habe ich mich informiert? Wo kann ich mich informieren? Praktika, Studienberatungen, Internetrecherche zu Universitäten, Fachzeitschriften, Aushänge usw.

2. Eine fakultativ in der EF angebotene Potentialanalyse in Form eines Assessment Centers eröffnet den Blick auf eigene Kompetenzen. Das Entwicklungspotential soll erkannt und im Rückmeldegespräch benannt werden. Vor allem die Methoden-, die Selbst- und die Sozialkompetenz stehen im Mittelpunkt der Untersuchung. Geleitet wird das Assessment Center von zwei ausgebildeten Psychologinnen, Christine Balkenhol und Maria Köhne. Die Realisation des Projektes wird wesentlich von der Sparkasse Meschede gefördert.

3. „Seminartag- wie bewerbe ich mich?“ Fachleute aus den Personalabteilungen von Unternehmen und Verwaltungen erarbeiten mit unseren Schülern Bewerbungsmappen. Im Blickfeld sind dabei ein Ausbildungsplatz, einen Praktikumsplatz (auch während des Grundstudiums), eine Zivildienststelle usw. Dabei geht es um formale Kriterien (Inhalte der Anschreiben, Lebenslauf, Zeugnis(se), Photo, usw.). Ziel dieser Übung ist aber auch zugleich, dass sich die Schüler mit der Frage beschäftigen, wie es nach dem Abitur weitergehen soll. 

4. Der „Betriebserkundungstag“ setzt sich aus fünf Einheiten zusammen:

  • Präsentation des Unternehmens
  • Erkundung des Produktionsbereiches
  • Betrieb als „Einzelwirtschaft“ / Interview zu Fragen der Sozial- und Wirtschaftspolitik
  • Berufsbilder im Unternehmen und in dessen geschäftlichem Umfeld
  • Durchführung und Auswertung eines Bewerbungsgesprächs in Form eines Rollenspiels. (In einigen Unternehmen werden auch Testverfahren geübt und/oder besprochen.)

Die Vorbereitung und Auswertung des Tages (c und d) ist vor allem eine Aufgabe des Faches Sozialwissenschaften, das alle Schüler belegen müssen.

EIne Schülerin fasst ihre Erfahrungen wei folgt zusammen: „Fazit: Kurz gesagt war dieser Tag informativ, interessant, hilfreich; also in jedem Fall sehr lohnenswert. Dies ist zum einen der guten Vorbereitung der Präsentationen, Führung etc. und zum anderen dem Engagement und Interesse von Frau Wulf, Herrn König, Herrn Müller, Frau Pourier und vor allem Herrn Vollmer zu verdanken…. (Sie) nahmen sich sehr viel Zeit. Vor allem vor dem Hintergrund, dass auch andere wichtige Aufgaben auf sie warteten. Sie nahmen diese Aufgabe sehr ernst, beantworteten gerne all unsere Fragen“.

Das erkundete Unternehmen (Ketten Wulf) schreibt über diesen Tag in der „Unternehmenszeitung“: „Die Organisation und Durchführung dieses Tages wurde von unserem Auszubildenden Christoph Vollmer (3. Lehrjahr, Industriekaufmann) übernommen. Unter dem Titel „Bewerberworkshop im Rahmen des Auszubildenden-Recruiting“ wird Christoph Vollmer den Nutzen und die Ziele dieses Tages innerhalb der Personalbeschaffung vor dem Prüfungsausschuss der IHK präsentieren.

Nachdem sich die Schüler ein Bild über den Produktionsvorgang in unserem Unternehmen machen konnten, wurde in einer weiteren Präsentation der Betrieb als Einzelwirtschaft und das Unternehmen im Bezug zur Umwelt vorgestellt. So erhielten die Schüler einen Überblick über die Berufe innerhalb unseres Unternehmens und die Wirtschafszweige und Tätigkeitsfelder, mit denen ein mittelständisches Unternehmen im täglichen Geschäft in Kontakt tritt.

Im weiteren Verlauf des Bewerberworkshops stand die Simulation eines Bewerbergesprächs auf dem Plan. Die Schülerin NN bereitete im Vorfeld eine Bewerbung um einen Ausbildungsplatz zur Industriekauffrau vor und stellte mit Herrn König und Herrn Vollmer die Situation eines Vorstellungsgesprächs nach. Im Anschluss daran wurden dieses Gespräch und die Bewerbung innerhalb der Gruppe analysiert und diskutiert (…)“

Berufsfelder geraten in das Blickfeld der Schüler, die ihnen zuvor vielleicht nicht näher bekannt waren: Patent(anwalt), (Arbeits)mediziner, Designer, Übersetzer, Werbefachleute usw. Ein wesentliches Kriterium für die Auswahl eines Betriebs im Rahmen unseres Programms ist die Frage, ob generell Ausbildungsmöglichkeiten für Abiturienten und Arbeitsplätze für Hochschulabsolventen angeboten werden.

5. „Studierende und Berufstätige beraten Schülerinnen und Schüler“.

„Besonderes Interesse habe ich an Gesprächspartnern mit folgenden beruflichen Schwerpunkten – a) Erstwunsch b) Zweitwunsch“ – diese Frage stellen wir am Anfang des Jahres den Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufe 12. Verfolgt man die Antworten über die Jahre hinweg, stellt man z. T. Veränderungen fest. Waren vor wenigen Jahren Berufe um den Arbeitsplatz „Bank“ ein mehrfach genanntes Ziel, spielt seit einigen Jahren diese Richtung eine deutlich geringere Rolle. Wurde andererseits die Zielrichtung „Lehramt“ in den vergangenen Jahren vergleichsweise selten genannt, ist diese Richtung in diesem Jahr besonders stark gefragt. Durchgehend häufig wird „BWL, Management“ gewünscht. Der „Ingenieur“, die Ingenieurin“ hingegen ist als berufliches Leitziel leicht rückläufig. Spezifische berufliche Richtungen sind weniger vertreten. Nicht selten gibt es Gegensätze zwischen dem „Erst- und Zweitwunsch“: Medizin und Sprachen (Ausland), Polizei und Fotographie, Tiermedizin und (Event-) Management. Schließlich gibt es (bei den Zweitwünschen) etliche Fragezeichen. Insgesamt darf man wohl positiv betrachtet daraus schließen, dass der Prozess der Berufswahl längst noch nicht abgeschlossen ist.

Dank des Engagements zahlreicher Ehemaliger können wir für den Großteil der gewünschten beruflichen Laufbahnen Referentinnen und Referenten gewinnen. Kompetente Unterstützung finden wir aber auch bei Fachleuten, die bisher nicht an unsere Schule gebunden waren, aber unser Anliegen gerne unterstützen.

Nach Möglichkeit sind in den GesprächsgrUppen Auszubildende, Studierende, erfahrene Berufstätige, Lehrer an Berufskollegs usw. als Referentinnen und Referenten vertreten. Dadurch wird angestrebt, aus möglichst unterschiedlichen Perspektiven über die eingangs gestellten Fragen mit den Schülerinnen und Schülern ins Gespräch zu kommen. Der bisherige „Lebensweg“ der Berufstätigen steht dabei oft im Vordergrund. Es sind immer wieder auch die ungeraden Wege, die zum Ziel führen. Da berichtet die Personalreferentin eines bedeutenden Unternehmens über berufsorientierende Testverfahren während der Schulzeit, wonach Glasbläserin(!) der für sie geeignetste Beruf sei. Nach dem Abitur studierte die junge Dame Psychologie, arbeitet nun im Personalmanagement, beschäftigt sich mit Betriebswirtschaftslehre und darf sich in die Technik des für den Betrieb relevanten Maschinenparks einarbeiten. Ihre jetzige Tätigkeit, sagt sie, sei aller Voraussicht nach noch nicht die endgültige Position.

Die Gesprächsrunden finden an einem Freitag-Nachmittag in der Schule statt, in einigen Fällen werden unsere Schüler zu Gesprächen „vor Ort“ eingeladen, z.B. in ein Architekturbüro, in eine Tierarztpraxis, in ein Unternehmen für graphisches Gestalten in Köln oder gar zur tierärztlichen Hochschule Hannover.

6. Spezifisch studienvorbereitenden Charakter hat der „Uni-Tag“. Der Besuch der einer Universität soll anregen, selbstständig die Fühler in Richtung Hochschule auszustrecken. Die Jahrgangsstufenleiter wählen die Hochschule aus und organisieren in der Regel den Besuch für „ihre“ Stufe. Studierende, Hochschullehrer, Mitarbeiter der Studienberatung unterstützen uns bei der Durchführung. Besucht wurden bisher z.B. die Universitäten Münster, Bielefeld, Bochum, Dortmund, Paderborn. Mit der FH Meschede stehen wir laufend in Kontakt.

7. Für die Durchführung eines berufsorientierenden Praktikums können sich Schülerinnen und Schüler in der Woche vor den Sommerferien vom Unterricht befreien lassen, wenn sie ein Praktikum durchführen, dass in den ersten beiden Ferienwochen fortgeführt werden muss. wird. Erfahrungsgemäß nehmen bis zu einem Drittel der Schülerinnen und Schüler am Schnitt zwischen Q1 und Q2 die Chance wahr, ein solches Praktikum zu absolvieren. Die Schüler suchen selbst ihre Praktikumsstelle. Ein verbindliches dreiwöchiges Sozialpraktikum in karikativen Einrichtungen ist in der Jahrgangsstufe EF für jeden Schüler zu absolvieren.) Praktika liefern gewiss weiterführende Antworten auf die eingangs gestellten Leitfragen. 

Werden wir den Ansprüchen gerecht, die eingangs umrissen wurde? Die Schule erfüllt dann ihre Aufgabe, wenn sie zur Berufsfindung beiträgt. Die Rückmeldungen der Schülerinnen und Schülern sind sehr ermutigend, in den Unternehmen sind wir gern gesehen Gäste, das Kollegium, die Elternschaft und die „Ehemaligen“ unterstützen das Konzept. Verbesserungsvorschläge, Kritik und Unterstützung sind stets willkommen.